Heidi Schänzle-Geiger, Psychologin, und Roland E. Keller, Leiter Alterszentrum Sunnewies, Tobel, unterhalten sich über das Thema Demenz.
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Tobel-Tägerschen: Ein Film gegen Demenz

Heidi Schänzle-Geiger, Psychologin, und Roland E. Keller, Leiter Alterszentrum Sunnewies, Tobel, unterhalten sich über das Thema Demenz.

Tobel-Tägerschen beteiligt sich mit einem Film am Pilotprojekt ‹Demenzfreundliche Gemeinde Thurgau›. Damit möchten die Verantwortlichen erreichen, dass mehr über das Tabuthema gesprochen wird. Im Film erzählt dabei unter anderem der 65-jährige Hans Schweizer von seiner Früherkrankung.

«Mir ist aufgefallen, dass sich Hans verändert hat – er war plötzlich anders, irgendwie ganz komisch. Es schien mir, als ob er einen Persönlichkeitswandel durchliefe», erzählt Isabella Schweizer*. Zuerst habe sie die Wesensveränderung ihres Mannes einer Depression, einem Burn-out oder der Midlife-Crisis zugeordnet.

Der 65-jährige Hans Schweizer* ergänzt, dass er damals geglaubt habe, die Symptome seien durch eine stressige berufliche Phase hervorgerufen worden. Niemals wären die beiden auf die Idee gekommen, dass es sich um eine Demenz handelt.

Demenz ist keine Krankheit, die nur alte Menschen trifft. Auch Junge – unter 65-Jährige – können an den typischen Erinnerungslücken leiden. Was die Eheleute Isabella und Hans Schweizer an diesem Nachmittag im Alterszentrum Sunnewies in Tobel erzählen, machen sie vor laufender Kamera. Sie haben sich bereit erklärt, die Öffentlichkeit mit ihrer Geschichte zum Thema Demenz zu sensibilisieren.

Der Film wird im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit der Gemeinde Tobel-Tägerschen, dem Alterszentrum Sunnewies und Alzheimer Thurgau ausgetragen. Die Gemeinde Tobel-Tägerschen beteiligt sich am Pilotprojekt ‹Demenzfreundliche Gemeinde Thurgau›.

«Demenz ist der Oberbegriff für rund 200 verschiedene komplexe Erkrankungen, welche die Funktion des Gehirns beeinträchtigen. Eine Demenz-Erkrankung – die bekannteste ist Alzheimer – lässt sich nicht heilen. Eine passende Therapie bewahrt aber länger die Selbstständigkeit der Betroffenen und mildert die Symptome der Demenz.

Voraussetzung ist eine frühe und fachärztliche Diagnose», erklärt Heidi Schänzle-Geiger, die als Moderatorin das Gespräch mit dem Ehepaar Schweizer leitet. Heidi Schänzle-Geiger ist Neuropsychologin sowie Fachpsychologin für Psychotherapie und arbeitet unter anderem für Alzheimer Thurgau.

Demenz ist eine ‹Familienkrankheit›

Genau dort sei der wunde Punkt gewesen, äussert sich Isabella Schweizer dazu. Erste Persönlichkeitsveränderungen bei ihrem Mann habe sie schon vor etwa sechs Jahren bemerkt. Der Hausarzt habe ihm anfangs einfach ein Antidepressivum verschrieben.

Nach verschiedenen neurologischen Abklärungen sei vor zwei Jahren dann eine Demenz-Erkrankung diagnostiziert worden. Für das Ehepaar Schweizer und ihre schulpflichtigen Kinder war die Diagnose eine Erleichterung über die Klarheit – vermischt mit dem Gefühl von Ohnmacht.

Mit Tränen in den Augen erzählt Isabella Schweizer, dass sie zwar ihren Mann noch habe, aber dieser nicht mehr derselbe sei wie früher. Die ganze Familie müsse lernen, mit diesem Verlust umzugehen. Heidi Schänzle-Geiger bezeichnet eine Demenz als eine ‹Familienkrankheit›.

Denn nicht nur ein Mensch, sondern die ganze Familie sei davon betroffen. Oftmals nehme dies der Erkrankte nicht im gleichen Ausmass wahr wie sein Umfeld. Hans Schweizer sagt: «Ich habe manchmal den Eindruck, ich würde mit angezogener Handbremse durch das Leben rennen.»

Zweimal wöchentlich besucht Hans Schweizer eine Alterstagesklinik – dort nimmt er an Hirnleistungs-, Bewegungs- sowie Musiktherapien teil. Zudem ist er in einer Arbeitsgruppe als Leiter Montage tätig, ebenfalls an zwei Tagen in der Woche. «Obwohl ich durch die Demenz-Erkrankung aus dem Arbeitsleben herausgerissen wurde, kann ich wieder einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen», sagt Hans Schweizer und ergänzt, dass er sich den Veränderungen anpassen musste.

Eine Demenz-Erkrankung bringe viele Herausforderungen mit sich. «Man darf die eigenen Gefühle und Bedürfnisse nicht ständig hintanstellen oder sogar unterdrücken. Zwischendurch muss man sich Freiräume schaffen, um all die Aufgaben bewältigen zu können», erklärt Isabella Schweizer. Auch habe sie ein Angehörigen-Seminar besucht – ein Angebot für Angehörige von jungen Demenz-Erkrankten. «Das hat mir gutgetan. Mir ist bewusst geworden, dass ich mit meinem Schicksal nicht alleine bin.»

Abschliessend sagt Heidi Schänzle-Geiger, dass Demenz noch immer ein Tabuthema sei. «Wir müssen darüber reden und dieses Tabuthema brechen. Denn kein Mensch kann etwas dafür, dass er krank wird.»

*Namen geändert

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