
Speicheltests und weniger Kontakte: So könnten Heime Senioren besser schützen
Nachdem herausgekommen ist, dass mehr Corona-Opfer im Alters- oder Pflegeheim sterben als im Spital, fordern viele Poltiker mehr Schutzmassnahmen seitens der Alters- und Pflegeheime. Politiker fordern, dass die Altersheime besser vor Corona geschützt werden. Zwei Expertinnen erklären, welche Möglichkeiten es dazu gibt. Weitere Massnahmen seien hingegen kaum mehr möglich, erzählt eine Heim-Leiterin.
Die Hälfte der Corona-Toten starb in Altersheimen: Das zeigen Daten des Bundesamt für Gesundheit (BAG). Darauf wurde die Forderung nach strengeren Massnahmen in den Altersheimen laut.
So forderten SVP-Nationalrat Thomas Matter und SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer beide bessere Schutzkonzepte für die Altersheime. Diskutiert wurde dabei nicht nur die konsequentere Umsetzung der bisherigen Massnahmen, sondern auch weiterreichende, wie etwa obligatorische Schnelltests oder die Isolation der Altersheime.
Gabriela Bieri, Ärztliche Direktorin der Pflegezentren der Stadt Zürich, schlägt als weitere Massnahme die regelmässige Testung der Mitarbeitenden mittels dem neuen Speicheltest vor. «Wir machen das bereits bei allen Mitarbeitenden, die auch nur minimale Symptome haben. Das Vorgehen bewährt sich.» Die Durchführung von Schnelltests bei allen asympotmatischen Mitarbeitenden sei hingegen kaum zu stemmen. Von einer Ausgangssperre für die Altersheimbewohner will Bieri hingegen nichts wissen. «Bei einer Ausgangssperre ist das Verhältnis zwischen Einschränkung und Nutzen unverhältnismässig.»
Noch weiter gehen Massnahmen in einigen deutschen Bundesländern. In Bayern müssen Bewohner, die im Krankenhaus waren, beim Wiedereintritt einen Corona-Test machen. In Berlin können Altersheime Besuche verbieten, wenn es aktuelle Corona-Infektionen gibt. Zudem dürfen Besucher nur ins Heim, wenn sie einen negativen Schnelltest des gleichen Tages vorweisen.
Iren Bischofberger, Präsidentin des Schweizerischen Vereins für Pflegewissenschaften VFP gibt allerdings zu bedenken: «Auf den ersten Blick leuchtet das ein. Aber die Logistik und der Preis von Schnelltests ist nicht zu unterschätzen. Ein Test könnte abschreckend wirken für Bewohner, die den Besuch am meisten brauchen.» Das führe zu mehr sozialer Isolation der Heimbewohner. «Wir brauchen Massnahmen, die für Bewohner und die Mitarbeitenden komplett durchdacht sind.» Bischofberger verspricht sich deshalb viel von der rasch durchgeführten Corona-Impfung bei Bewohnern und beim Personal.
Trotzdem brauche es zusätzlich innovative Ideen. «Zum Beispiel könnte das Pflegepersonal in der sehr anstrengenden Zeit in Hotels in der Nähe übernachten dürfen, um weniger pendeln zu müssen. Zudem können Video-Calls noch systematischer eingesetzt werden, sodass etwa die Enkelkinder am Laptop mit ihren Grosseltern virtuell Znacht essen.»
Für solche Massnahmen hat Sonja Bühler, Leiterin des Alterswohn- und Pflegeheim Magda in Hilterfingen BE, wenig Verständnis «Für unsere Bewohner ist der Alltag trotz heiminterner Aktivierung momentan trostlos, von Weihnachten und Neujahr gar nicht zu sprechen.» Das Altersheim mache bereits viel gegen die Verbreitung des Virus: Permanente Maskenpflicht, stark eingeschränkte Besuchsregelung, geschlossene Cafeteria. «Zudem empfangen wir fast keinen Besuch mehr. Für unsere Bewohner ist es momentan nicht so schön hier und sie leiden unter den vor allem sozialen Einschränkungen. Jeder, der jetzt noch mehr Massnahmen fordert, sollte hier mal eine Woche verbringen. Längerfristig ist dieser Zustand nicht haltbar.»
Kurt Ryser, Leiter des Altersheim Rotmonten in St. Gallen, sieht ebenfalls nicht mehr viele Möglichkeiten für stärkere Massnahmen. «Unser Personal trägt Masken, desinfiziert regelmässig die Hände, misst die Körpertemperatur bei Schichtbeginn und hat Distanz zu den anderen Arbeitskollegen. Für die Besucher gilt dasselbe, zudem müssen sie sich anmelden und es gilt eine Besuchszeit von 30 Minuten. Für die Bewohner gelte neben der Maskenpflicht eine temporäre Ausgangssperre, um weitere Infektionen zu vermeiden.»
Zu den trotz Massnahmen hohen Todeszahlen in den Altersheimen sagt Ryser: «Einen umfassenden Schutz können wir nicht gewährleisten. Es sei denn, wir isolieren alle Bewohner in ihren Zimmer. Doch ist das Lebensqualität? Ich glaube, wir müssen diese Tatsache akzeptieren.»
In der Schweiz sind die Kantone verantwortlich für die Schutzmassnahmen in den Alters- und Pflegeheimen. So galt zum Beispiel in der ersten Welle im März in allen Kantonen ein Besuchs- und Kontaktverbot über mehrere Wochen, welches im Thurgau bis am 1. Mai galt, in Graubünden hingegen bis am 1. Juni. Der Bundesrat gibt zu den Schutzmassnahmen in den Alters- und Pflegeheimen Empfehlungen ab.

