
Altersheim steht am Scheideweg
Als die Rafzerinnen und Rafzer Mitte des 19. Jahrhunderts das Armutsproblem endlich in den Griff bekommen wollten, bauten sie ein Armenhaus. Aber nicht mitten im Dorf, in den fürsorglichen Armen der Gesellschaft. Im Gegenteil: Ein Stück Wald, weit ausserhalb des damaligen Dorfkerns, wurde gerodet, damit dort die Armen abseits der Gemeinschaft in einem Gebäude konzentriert werden konnten.
Die Idee war nicht nur schlecht. Das auch als «Bürgerasyl» bezeichnete Gebäude ermöglichte eine bessere Aufsicht über die sozial schwächer gestellten. Und diese konnten auf dem Gutsbetrieb arbeiten und so versuchen, sich ihre Brötchen selbst zu verdienen. Trotzdem hatte das Armenhaus jahrzehntelang einen schlechten Ruf, etwa wegen schlechten baulichen Zuständen oder weil es oft zu Streitigkeiten und Schlägereien kam.
Und auch heute tut sich die Gemeinde schwer mit der Liegenschaft. Denn was früher ein Armenhaus war, wandelte sich im 20. Jahrhundert zum Alters- und Pflegeheim Peteracker.
Einrichtungen für Demente werden immer wichtiger
Zu einem Heim, dass seit einiger Zeit dringend saniert und erweitert werden muss. Ein Projekt für eine Wohngruppe für Demente scheiterte 2013. Nun werden die Rafzerinnen und Rafzer aber im März an einer ausserordentlichen Gemeindeversammlung – im vergangen Dezember wurde das Traktandum vom Gemeinderat zurückgezogen – darüber abstimmen, ob sie insgesamt 180000 Franken sprechen wollen, um Analysen, Machbarkeitsstudien sowie eine Überprüfung der Rechtsform durchfzuführen.
Das sei dringend notwendig, sagt Heimleiter Stephan Kunz. Gemeinsam mit dem Gemeinderat erklärte er am Donnerstagabend an einem Informationsanlass, wo der Schuh im Peteracker drückt. «Am dringendsten ist, dass wir eine Demenzwohngruppe bauen können», erläutert Kunz. «Bei jeder zweiten Anfrage, die wir für einen Platz im Heim erhalten, steht das Thema Demenz im Zentrum.» Das Pflegheim ist momentan nur schlecht für Demente eingerichtet. Da es keine halbgeschlossene Wohnmöglichkeiten gibt, sei das Risiko, dass eine Person mit Demenz wegläuft, sehr gross. «Manche dieser Menschen vergessen zum Beispiel, dass sie eigentlich einen Rollator brauchen. Dann setzen sie sich ein wenig später erschöpft irgendwo im Haus hin und wir müssen sie zuerst wieder finden. Oder noch schlimmer, sie stürzen.» Und das sei noch eine leichtere Form der Demenz.
Auch in anderen Bereichen sei es aber wichtig, dass das Heim erweitert und saniert werden können. Manche Zimmer stammen noch aus dem Jahr 1979, verfügen weder über eine eigene Toilette noch über eine Dusche. «Das ist einfach nicht mehr zeitgemäss», sagt Kunz. «Man darf nicht vergessen: Für die meisten Menschen, die in ein Alters- und Pflegeheim ziehen, ist dies die letzte Wohnung, die sie in ihrem Leben beziehen. Sie muss wohnlich sein.»
Weitere Punkte auf der Sorgenliste: Der Speiseaal ermöglicht nicht, die Bestuhlung so einzurichten, dass man auf einzelne Wünsche der Bewohner reagieren kann. Das Bad ist völlig veraltet und in keiner Weise mit einer «Wohlfühl-Oase» vergleichbar, wie das in anderen Heimen der Fall ist. Ausserdem braucht das Heim mehr Garderoben für das Personal und seitenweise neue Brandschutzauflagen fallen an. Weiter wird ein zusätzlicher Lift benötigt. Auch Umbauten für neue Auflagen in der Heilmittelkontrolle müssen umgesetzt werden. Schliesslich müsste auch der Empfang modernisiert werden.
Anteil der über 80-Jährigen nimmt stark zu
Aber auch abgesehen davon muss die Gemeinde die Frage, wie sie mit den älteren Menschen der Gesellschaft umgehen möchte, dringend klären. Wie Ursula Wischniewksi, Gemeinderätin für Soziales und Gesundheit, ausführte, hat Rafz eigentlich den Anspruch, dass «jede Rafzerin und jeder Rafzer den Lebensabend in Rafz verbringen kann». Das ist schon heute nicht einfach, im letzten Jahr musste das Heim, welches über 42 Zimmer verfügt, 200 Bewerberinnen und Bewerbern eine Absage erteilen. Noch schlimmer: Der Anteil der über 80-Jährigen wird in den nächsten zehn Jahren markant ansteigen. Von rund 180 solcher Personen im Jahr 2015 wird sich die Anzahl bis 2030 um 87 Prozent auf über 340 vermehren.
Ein Ausbau auf etwa 60 Zimmer wäre deshalb nötig. «Das wäre mit dem heutigen Personalbestand problemlos möglich und würde das Heim wirtschaftlicher machen», sagt Heimleiter Kunz. Auch eine neue Rechtsform, welche das Heim aus der Gemeinde herauslösen würde – die aber weiterhin Besitzerin bleiben würde – würde gemäss Kunz helfen. Neben einer besseren Wirtschaftlichkeit könnten dadurch auch Projekte schneller umgesetzt werden, ohne dass sie in der Investitionsrechnung mit anderen – wie etwa dem Lehrschwimmbecken – konkurrenzieren müssten.
Hier können Sie den Originaltext lesen: https://www.zuonline.ch/front/altersheim-steht-am-scheideweg/story/15303159.

